Abtenauer Perchten (c)Fabian Gaertner

Perchten – schaurige Gestalten oder magische Geschöpfe?

Die Raunächte und ihre Perchten

In den magischen Raunächten rund um Weihnachten, Silvester und den Heiligen Drei Königen sind sie unterwegs, die Schön- und Schiachperchten. Vor allem im alpenländischen Raum treiben sich die Perchten um.
Doch was hat es wirklich mit den mystischen Geschöpfen auf sich? Woher stammt der Brauch der Sagengestalten?
Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mich mit zwei Mitgliedern des Vereins „Abtenauer Perchten“ getroffen.

Abtenauer Perchten (c)Fabian Gaertner

Petra: Vielen Dank, dass ihr euch heute für dieses Interview Zeit nehmt!

Abtenauer Perchten: Hallo Petra! Zuerst bedanken wir uns für das Interesse an unserem Tun und für die Anfrage hinsichtlich eines Interviews.

Seit wann gibt es offiziell den Verein „Abtenauer Perchten“?

Die erste größere Zusammenkunft erfolgte im Juli 2017. Dort wurde beschlossen einen Verein auf die Beine zu stellen. Die Grundzüge wurden bereits in einer Kleingruppe, welche später den Vorstand des Vereins bildete, vorab grob abgesteckt.

Warum wurde der Perchtenverein ins Leben gerufen?

Da muss ich a bissl was Allgemeines erzählen…
In früheren Zeiten war das Leben im Alpenraum kein Einfaches. Vor allem der Winter und die dunkle Zeit verlangte von den Einwohnern eine Menge an Verzicht und Disziplin. Eine Menge Mythen ranken sich um diese Zeit. Bekannt sind vor allem die Rauhnächte, 12 an der Zahl, beginnend mit der Thomasnacht, dem 21. Dezember. Jeder Tag versinnbildlicht ein Monat des kommenden Jahres, somit war es jedem Einzelnen möglich, mit seinem Verhalten während dieser Tage, die Weichen für das nächste Jahr zu stellen. Vielleicht ist dir der Begriff der Losnächte schon mal untergekommen?

Das Brauchtum rund um die Rauhnächte, die Mythen um die Wilde Jagd, die Sagen rund um diese Mensch- und Tiergestalten usw. sind seit jeher aktuell in der Gesellschaft, jedoch oft nicht auf den ersten Blick erkennbar.
In Zeiten des Konsumwahnsinns und der Ausbeutung der Natur durch die Gier der Menschheit, versuchen wir mit den Umzügen und Besuchen der Perchten die wichtigen Dinge des Lebens wieder in den Vordergrund zu stellen. Die Einfachheit, Rohheit und die Verbundenheit mit der Natur machen diese Umzüge aus. Fernab der modernen Krampus- und Perchtenshows, wobei vor allem die Trennung dieser beiden Spezies in der Öffentlichkeit meist nicht so genaugenommen wird, obwohl der Unterschied gravierend ist, versuchen wir diese „alte Welt“ wieder etwas zurückzubringen.

Dafür sind nicht nur stetige Forschungen im Landesarchiv und die Büchersuche in Antiquariaten und auf Flohmärkten notwendig, sondern auch die Selbstbesinnung und das Zulassen dieser Mythen, der Wildheit und teilweise der Kräfte, die hier wirken können.
Erdgeschichtlich vor nicht allzu langer Zeit, waren die Einwohner in unseren Breiten noch dermaßen mit der Natur verbunden und abhängig von ihr, sodass sie mit ihr lebten und sie nicht zu bändigen oder gar zu beherrschen versuchten. Die ersten Beherrschungsversuche fanden bereits Jahrtausende vor der Industrialisierung statt, als der Mensch vom Jäger und Sammler zum sesshaften Individuum wurde. Bereits zu dieser Zeit wurden Wälder für Siedlungsräume abgeholzt und erste Monokulturen angebaut.

Hat es bei uns früher auch originale Perchten gegeben?

Die Frage, was ist Original, gilt es seitens der Forscher zu erörtern. Solchen Dingen widmen wir uns nicht. Brauchtum muss und soll gelebt werden und sich nicht zu 100% auf Überlieferungen stützen, welchen Originalität bzw. Echtheit oftmals nicht nachgewiesen ist, teils nicht werden kann und auch nicht sollte – das ist der springende Punkt. Jede Vorgabe hinsichtlich eines Originals macht dich abhängig und engt dich in der Ausführung ein.

Überlieferungen in Buchform gibt es aus unseren Breiten unseres Wissens nach im Grunde lediglich aus dem benachbarten Pongau (hauptsächlich aus Bad Gastein) und dem Pinzgau mit den Tresterern, aus den letzten 300 Jahren. In den Salzburger Hofratsprotokollen aus dem 18. Jahrhundert und diversen Niederschriften zur Perchtenforschung, werden jedoch auch Läufe im Tennengau erwähnt.

Man muss sich vor Augen führen, dass vor nicht allzu langer Zeit ein großer Teil der Menschen im Alpenraum Analphabeten waren und somit keinerlei schriftliche Aufzeichnungen machen konnten. Sie bedienten sich zur Überlieferung einer uralten und einfachen Methode, einer Sprache die ein jeder Mensch in gleichen Maßen versteht und ungefiltert wiedergegeben werden kann: der Musik. Sagen und Geschichten wurden in Reime verpackt oder roh und ungeschliffen mit einer hinterlegten eingängigen Melodie so an die nachfolgenden Generationen oft über Jahrhunderte weitergegeben.

Abtenauer Perchten (c)Fabian Gaertner

Woher stammt der Brauch der Perchten und welcher Bedeutung kommen sie zu?

Auf das Wort „Brauch“ oder „Brauchtum“ stütze ich mich im Grunde nicht. Dadurch wird der Wirkungsraum meist sehr eingeschränkt und wirkt fast vorgegeben. Woher der unter Anführungszeichen Brauch stammt bzw. worauf ihn ein jeder selbst zurückführt, ist eine schwierige Frage.
Die Gegenfrage welche sich stellt wäre: Ab wann ist ein Brauch ein solcher bzw. wer bestimmt was zu welcher Zeit und in welchem Ausmaß zu einem Brauch wird? Gibt es Grenzen oder Mindeststandards?

Im Grunde gehen wir davon aus, dass man einen Teil der Wesen und Gestalten des Vereines auf eine Zeit vor unserer heutigen Zeitrechnung zurückführen kann. Damals, als die Einwohner der Erde, wie oben beschrieben, nahe mit der Natur verbunden waren, nahm diese einen höheren Stellenwert ein. Damit verbunden war auch, dass einem jeden Tier, einer jeden Pflanze, gar jedem einzelnen Individuum, ob nun der Erde unter unseren Füßen oder einem Stein, eine Seele zugesprochen werden konnte. Überlieferungen der Indianer bezeugen diese Lebensweise bis in die Gegenwart. Auch die Geschichten der nordischen Völker, aus Skandinavien aber auch Island, zeugen von Zeiten der totalen Abhängigkeit des Menschen von der Natur.
Aus diesem Grund ziehen mit dem Tross auch Tiere mit, welche in den Rauhnächten bekanntlich sprechen können. In diesen Tagen kommt es auch zur Entstehung von Rissen zwischen den Welten. Zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten.
Ich finde generell, dass in Zeiten wie diesen, mit Wetterkapriolen, vermehrten Überschwemmungen, Lawinen- und Murenabgängen etc., nicht nur dem Wald, sondern der Natur im Ganzen wieder mehr Gehör verschafft werden muss. Nicht nur dem Schutzwald für Gebäude usw., sondern generell der Natur als Grundlage unserer Nahrungserzeugung. Wenn du dir z.B. anschaust, dass in gewissen Teilen Asiens die Obstbäume, welche in bereits toten Landschaften wurzeln, mit der Hand bestäubt werden müssen, dann müsste doch spätestens bei solchen Bildern ein generelles Umdenken stattfinden. Dies weiter auszuführen, würde wahrscheinlich Tage dauern.

Wieso sehen die Perchten in verschiedenen Regionen anders aus?

Es gibt viele verschiedene Figuren wie zum Beispiel die Habergeiß, die Hexe, den Bären oder Schnabelperchten – welche Bedeutung und Geschichte steckt hinter diesen Figuren?

Die Figuren oder gar Geister kommen aus dem Wald, aus der Wildnis, aus Bächen und Sümpfen und sind als Seelenbilder zu verstehen. Auch Verstorbene und wilde Tiere können unter ihnen sein. Sie bringen eine starke und ungezügelte Naturenergie mit.
Was hämmert dir dein Unterbewusstsein in den Kopf, wenn du kurz vor der Dämmerung, in dichten Nebelschwaden stehend lauscht, wie die Krähen beginnen sich zu unterhalten?
Welche Gefühle und Gedanken kommen in dir hoch, wenn du dir vorstellst, dass du in einem weiten und einsamen Wald einem Bären begegnen würdest?
Was geschieht mit dir, wenn du im Herbst zeitig in Richtung Gebirge aufbrichst und du mitten in der Morgendämmerung, wenn das erste Licht den Boden berührt, im Wald die mächtigen Hirsche röhren hörst? Wenn die Tonlage ihrer ehrlichen und vor Kraft strotzenden Laute mit einer Wucht durch dich fahren, als stünde der Geweihträger direkt an deinem Ohr und würde dir seinen Atem ins Gesicht blasen?

Solche im Grunde einfachen Fragen stellst du dir und bekommst relativ rasch Antwort deines Unterbewusstseins. Um diesen Output zuzulassen, sollte man nicht gerade vorm Computer sitzen und im Internet auf Facebook & Co seine Zeit verschwenden. Hinaus in die Natur, in die Berge, in eiskaltes Wasser, in Schlamm – da musst du hin, also: selbst erleben, um zu verstehen und zu fühlen ist die beste Methode!
Man sagt, dass man durch Meditation, das Gefühl hat, als würde man in die Erde eingesogen. Bei diesen Flügen kann man seinem Krafttier oder seinen Krafttieren begegnen. Auch dies zeugt von der Verbindung zwischen Mensch und Tier bzw. der allgegenwärtigen Natur. Wobei der Mensch im Grunde eine Abspaltung der Tiere ist, sich nur selbst aufgrund seines körperlichen Geschickes und seines Erfindungsreichtums von Allem emporheben versucht.
Spannend, dass Tiere, vor allem unsere nahestehenden Begleiter wie Katzen und Hunde, aber auch Kleinkinder, gewisse Dinge im wahrsten Sinne des Wortes spüren, hören oder gar sehen können.

Das Aussehen der Figuren spielt, wie du nach diesen Ausführungen bemerkst, nicht die allergrößte Rolle. Wichtig ist, dass du sie mit Leben und Instinkt füllen kannst und dies auch tust. Nicht überladen soll es sein, sondern einfach, bodenständig und ehrlich.

Ihr veranstaltet auch dieses Jahr wieder einen Perchtenumzug am 05. Jänner. Was ist euch besonders wichtig an dieser Veranstaltung?

Diese Veranstaltung sollte im Gegensatz zu den Hofbesuchen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Die Hofbesuche haben einen sehr persönlichen und intimen Charakter für uns, daher wollen wir unbedingt vermeiden, dass diese Besuche zu Publikumsmagneten werden.

(Anmerkung zum Perchtenlauf: 19.00 Uhr Veranstaltungsbeginn, 19:45 Uhr Eröffnung durch Platzsprecher und Turmbläser, 20:00 Uhr Beginn Perchtenlauf)

Letztes Jahr sind die Abtenauer Perchten in einem Abtenauer Ortsteil von Haus zu Haus gezogen, habt ihr dies auch für das heurige Jahr geplant?

Wir werden an diesen Besuchen festhalten und uns im Jahr 2020 natürlich einen anderen Ortsteil aussuchen. Welche Häuser, vorrangig Bauernhöfe, wir besuchen, wird zur Wintersonnenwende in der Thomasnacht per Los ermittelt.

Vielen Dank für das äußerst interessante Gespräch! Mit diesem Hintergrundwissen freue ich mich noch mehr auf den Perchtenlauf am 5. Jänner in Abtenau!

Hier geht´s nach Abtenau zum Perchtenlauf…