Blick in den Stall (c)Martina Gappmaier

So war es damals: Winter auf dem Bauernhof

Erinnerungen an die Winterzeit auf einem Bauernhof in den 50er Jahren

Kein Strom, keine Heizung und Arbeit von früh bis spät: Mitte des vorigen Jahrhunderts war das bäuerliche Leben im Salzburger Innergebirg oft hart.

Nur der Blick in den Kalender verrät, dass inzwischen der Frühling Einzug gehalten hat. Allerdings scheint Frau Holle nicht viel Wert auf kalendarische Daten zu legen. Draußen stürmt und schneit es. Es scheint, als hätte der Winter erst begonnen. Ich sitze gemütlich bei meinen Schwiegereltern in der Küche und schaue dem winterlichen Treiben draußen zu. Wie war das eigentliche früher so im Winter? Neugierig bitte ich meine Schwiegermutter, Fanni, mir von den langen Wintern ihrer Kindheit zu erzählen. Meine Schwiegermama ist als ältestes Kind von sechs Geschwistern auf einem mehrere Jahrhunderte altem Bauernhof in St. Martin am Tennengebirge aufgewachsen.

Schön aufgezäunt (c)Martina Gappmaier

Schön aufgezäunt (c)Martina Gappmaier

Alle unter einem Dach

Neben Fanni und ihren Geschwistern lebten damals noch ihre Eltern sowie die blinde Großmutter am Hof. Aber auch die eine oder andere Cousine war immer wieder einige Zeit bei ihnen untergebracht. Außerdem wohnten auch Mägde und Knechte das ganze Jahr im Haus. „Es seien immer drei bis vier Fremde bei uns am Bauernhof gewesen“, berichtet Fanni. Damals sei man abends früh schlafen gegangen. Man hätte lange kein elektrisches Licht gehabt, nur Petroleumlampen. Jeden Samstagabend wurde der Rosenkranz gebetet. Dazu kniete man sich um den Tisch auf den Boden. Der Vater war der Vorbeter.

Warmer Ziegelstein – der einzige Komfort

Im ganzen Haus sei es früher kalt gewesen, erzählt Fanni. Die Ausnahme war die Küche. Von der Wärme der Küche profitierten auch die elterliche Schlafstube und Fannis Schlafkammer. Die Eltern teilten ihr Zimmer mit Fannis jüngsten Geschwistern. Durch die Lage neben der Küche, bekam das Schlafzimmer etwas Wärme ab. Das Zimmer in dem Fanni schlief, befand sich über der Küche. Durch ein Loch im Fußboden, Kammerloch genannt, konnte Wärme nach oben gelangen. Früher war es üblich, dass man sich ein Zimmer mit mehreren Personen teilte. In Fannis Kammer seien 4 bis 5 Betten gestanden. Wenn es sehr kalt war, wurde ein warmer, in Tücher eingewickelter Ziegel mit ins Bett genommen. Dieser konnte seine angenehme Wärme lange speichern. Als Matratzen dienten Säcke. Diese wurden einmal im Jahr, um den Nikolaustag herum, mit frischem Stroh gefüllt. An der Seite des Sacks war ein Schlitz. In diesen konnte man hineingreifen und das Stroh aufschütteln. Auf den Sack legte man rupfene Leintücher, die sehr juckten. Die Bettdecke war mit Federn gefüllt und sehr schwer. Fanni fragt mich: „Wer würde sich heute noch in so ein Strohbett legen?“

Eisigkalt sei es auch auf den Aborten im Erdgeschoss und im ersten Stock gewesen. Dort hat es hereingestürmt und oft war alles voll mit Schnee.

Heizmaterial (c)Martina Gappmaier

Heizmaterial (c)Martina Gappmaier

Fleisch – einmal im Jahr wurde geschlachtet

„Kühlschrank oder Gefriertruhe gab es keine. Brauchten wir auch nicht, da es im Winter im ganzen Haus kalt war“, schmunzelt Fanni. Es wurde einmal im Jahr geschlachtet und zwar vor Weihnachten. Das war ein besonderes Ereignis. Das Fleisch kam mit Salzwasser ins Surfass. Dort konnte es portionsmäßig entnommen werden. Es reichte meist bis Ostern. Der Speck wurde geselcht.

Brot und Dunknudeln

Am Backtag wurden 17 bis 18 Roggenbrotlaibe gebacken. Diese wurde dann bis zum Verzehr auf einem Brotrem aufbewahrt. Mit der Zeit sind sie sehr hart geworden.

Samstags gab es eine ‚Dunknudel‘ zum Essen. Dieser ovale Laib bestand aus Roggenmehl und Germ. Obendrauf wurde ‚Dunk‘ – Rahm, Sahne – gegeben.

Beschwerliches Leben am Bauernhof

Das Leben auf einem so alten Hof war oft mühsam. Im Winter ist die Kälte kaum draußen zu halten gewesen. Es gab keinen Strom und somit kein elektrisches Licht, kein Radio, keine Waschmaschine, einfach nichts. Das Wasser holte man draußen am Brunnen. Dies sei die Aufgabe der Großmutter gewesen. Diese kannte, obwohl sie die letzten dreizehn Jahre ihres Lebens blind war, jeden Tritt am Hof. Das Schmutzwasser wurde einfach zum Fenster rausgeschüttet. Abfluss gab es nämlich keinen. Fanni erinnert sich noch genau an den Gestank vor dem Fenster. Die Wäsche wurde draußen am Wassertrog gewaschen. Für die Kochwäsche befand sich in der Rauchküche einen großen Ofen mit eingemauertem Kessel. Früher wurde die Kleidung aber nicht so häufig wie heute gewaschen. „Da trug man die ganze Woche die gleichen Kleider“, lacht Fanni.

Hosen waren nur für Buben und Männer

Die Mädchen trugen, auch im Winter, keine Hosen – nur Kleider und Röcke. Eine Strumpfhose darunter sollte die Kinder wärmen. Die Unterwäsche war eine Art Anzug mit Ärmel und Hosenbeinen. Ober- und Unterteil waren zusammengenäht. Hinten und im Schritt war er offen. Die Schuhe an den Füßen waren vom Schuster gemacht worden.

Es geht in die Schule!

Die Dorfschule in St. Martin war zu dieser Zeit dort, wo heute die Raiffeisenkasse ist. Fannis Schulweg war zum Glück nicht allzu weit. Doch manche Kinder brauchten gut eine Stunde, um in die Schule zu gelangen. Um durch den tiefen Schnee bis zur geräumten Hauptstraße zu kommen, leisteten Schneeschuhe gute Dienste. Oft war es auf dem Schulweg so kalt, dass die Kinder halb erfroren an der Schule ankamen.

Brennholz machten die Kinder selbst

Damit es im Klassenzimmer warm war, wurde ein Ofen eingeheizt. Das Brennholz mussten die Kinder im Schulkeller selber machen und dann in einem Korb hochtragen.

Zum Kochen und Heizen (c)Martina Gappmaier

Zum Kochen und Heizen (c)Martina Gappmaier

Schulsuppe

Die Schule dauert meistens bis 16 Uhr. Die Mittagspause betrug eine Stunde. In dieser bekamen die Kinder ein Schulessen, wie zum Beispiel Mais oder Milchreis. Die Schüssel für die ‚Schulsuppe‘ wurde unter der Bank aufbewahrt. Eine Köchin hat für die Schüler gekocht. Im Vorhaus der Schule wurde das Essen, das sich in einem großen Bottich befand, ausgeteilt. Die Kinder stellten sich mit ihren Schüsseln an.

3 Klassen – 8 Schulstufen

Fanni erzählt, dass sie viele Kinder in der Schule waren. Damals war die 1. und 2. Schulstufe eine Klasse, die 3. und 4. bildeten ebenfalls eine Klasse und die 5., 6., 7. und 8. eine weitere. „Da ging es oft wild zu“, meint Fanni lachend. Zu jener Zeit gab es 3 Lehrpersonen an der Schule.

Ski fahren am Knabelleitenlift

In der Schule wurde nicht nur Rechnen, Schreiben und Lesen unterrichtet. Sondern es wurde auch gezeichnet oder im Winter ging es zum Ski fahren. Zu dieser Zeit gab schon einen Knabelleitenlift in St. Martin. Dieser war allerdings nicht so lang wie der heutige. Man musste sich an einem Seil festhalten und wurde hinaufgezogen. Fanni hat dies als sehr anstrengend in Erinnerung. „Das letzte Stück war so steil, dass ich immer rausgefallen bin. Da hat mich dann der Herr Lehrer zwischen die Beine genommen“, erzählt sie grinsend. Danach sei sie nicht mehr mit zum Ski fahren gegangen.

Baumstämme (c)Martina Gappmaier

Baumstämme (c)Martina Gappmaier

Auch im Winter gab es genügend zu tun

Während die Kinder in der Schule waren, hatten die Erwachsenen auch im Winter viel Arbeit. Die Männer waren in der kalten Jahreszeit im Wald beschäftigt. So wurden zum Beispiel Stämme und Zweige von Bäumen, die im Herbst gehackt worden sind, zum Hof gezogen. Auch das Heu musste mit dem Pferdeschlitten transportiert werden.

Holzstämme im Schnee (c)Martina Gappmaier

Holzstämme im Schnee (c)Martina Gappmaier

Die Frauen halfen am Hof alle zusammen

Die Liste der Arbeiten der Frauen am Hof ist lang. Oft waren es körperlich sehr anstrengende Tätigkeiten.

  • Für das Futter der Kühe musste unter das Heu Stroh gemischt werden.
  • Silage wurde aus dem Silo geworfen. Das war besonders anstrengend, denn die Silage war sehr schwer, da extra Wasser zugegeben wurde. Das Silofutter musste mehrmals überhoben werden – vom Silo in den Stadel, vom Stadel in den Hof und vom Hof in den Stall.
  • Die Kühe wurden von Hand gemolken.
  • Die Milch musste verarbeitet werden. In späteren Jahren wurde sie in der Früh mit dem Pferd zur Straße geliefert. Dort wurde sie abgeholt.
  • Das Getreide, das aus eigenem Anbau stammte, musste gemahlen werden.
  • Es waren die Kinder zu versorgen.
  • Gekocht musste werden.
  • Brot wurde gebacken.
  • Die Wäsche war zu waschen.
  • Und es gab noch viele Arbeiten mehr.
Heu für die Tiere (c)Martina Gappmaier

Heu für die Tiere (c)Martina Gappmaier

Im Stall

Der Wassertrog befand sich zwischen Haus und Stall. Wenn es kalt war, überzog den Trog eine dicke Eisschicht. Damit die Tiere trinken konnten, mussten Löcher ins Eis geschlagen werden.

Im Winter wurde zur damaligen Zeit kein Mist aus dem Stall entfernt. Gegen Ende der kalten Jahreszeit haben die Kühe dann fast die Decke berührt. Erst im Frühjahr fuhr man mit einem Wagen in den Stall. Auf diesen wurde der schwere Mist aufgeladen. Das war eine sehr anstrengende Arbeit.

Kuhstall (c)Martina Gappmaier

Kuhstall (c)Martina Gappmaier

Es waren schwere Zeiten, aber andererseits war es auch sehr schön damals“, findet Fanni.

Schöne Weihnachtszeit

Im Advent gab es jeden Tag um 6 Uhr eine Rorate in der Kirche. An diesen musste zumindest einer aus der Familie oder vom Gesinde teilnehmen. Fanni erinnert sich gerne zurück, wie beim morgendlichen Kirchgang der Schnee so schön geknirscht hat.

Jedes Jahr vor Weihnachten wurde der Boden eingelassen und versiegelt. Da hätte dann das ganze Haus so gut gerochen,weiß Fanni noch.

Den Christbaum an Weihnachten hat immer die Mama geschmückt. Da durften die Kinder nicht helfen. Sie hat ihn heimlich oben in der schönen Kammer hergerichtet. In diese hat sonst keiner hinein dürfen. An Weihnachten kam der Christbaum dann in die Küche. Als Geschenk bekam jedes Kind einen Zibebenlaib. Einmal gab es auch eine Puppe oder Kleidung, die man gebraucht hat. Sonst gab es keine Geschenke.

Von Schnee bedeckt (c)Martina Gappmaier

Von Schnee bedeckt (c)Martina Gappmaier

Ostern

„Auch an Ostern gab es immer Kleinigkeiten geschenkt. Ich weiß noch, was ich da für eine Freude gehabt habe“ lächelt Fanni. Die Kinder haben am Balkon ein Osternest gemacht. Und dann seie am Palmsonntag, am Grünndonnerstag, am Karfreitag, …. immer kleine Überraschungen im Nest versteckt gewesen.

Spannende Zeitreise

Danke, liebe Fanni, dass du uns von deiner Kindheit erzählt hast. Es ist wirklich sehr interessant, zu hören, wie das Leben früher war. Wer noch weiter in die damalige Zeit eintauchen möchte, kann dies gerne in unseren Heimatmuseen oder im Salzburger Freilichtmuseum machen. Dort kann man auch den Lärchenhof auf dem meine Schwiegermama aufgewachsen ist, besichtigen.