Titelbildrauhnacht

Die Zeit zwischen den Jahren

Heute am 21. Dezember beginnen die Rauhnächte, eine ganz besondere Zeit. 

Für viele sind dies die stressigsten Tage des Jahres, die Hauptsaison im Wintertourismus beginnt und gleichzeitig lockt der Sale, jeder hetzt nach den passenden Geschenken für das große Fest und ist froh, wenn der ganze Trubel bald wieder vorbei ist. Das finde ich total schade, denn eigentlich war der Abschluss des Jahres einmal ganz anders gedacht: 

Vor langer langer, sehr langer Zeit …

… als die Welt noch nicht in der Hand der Kirche war, berechnete man das Jahr nach den Mondzyklen. Ein Mondzyklus beträgt durchschnittlich 29,5 Tage. Bei zwölf Mondmonaten ergibt das 356 Tage. Auf die 365 Tage des Sonnenjahres fehlen somit elf Tage (bzw zwölf Nächte) – die Tage „außerhalb der Zeit“!

In diesen besonderen Tagen und Nächten sind die Tore zu den anderen Welten offen. Die Gesetzte der Natur sind außer Kraft gesetzt und die Verbindung zu den Ahnen, Lichtwesen, Kobolden und den Göttern für alle spürbar.

Es war und ist eine Zeit der Besinnung und des „in sich Hineinspürens“ – Altes darf sich lösen und Neues beginnen.

Schon damals feierten die Menschen die Geburt eines Erlösers, nämlich der Sonne. In dieser Jahresendzeit werden die Nächte immer länger und die Tage kürzer und dunkler, bis das Licht endgültig stirbt. Zur Wintersonnenwende am 21. Dezember wird das Licht bzw die Sonne wiedergeboren, weckt das tote Leben in der Erde wieder auf und bringt neue Hoffnung.

Julfest

Diesen Neubeginn feierte man mit dem Julfest – ein Fest der Familie, der Fruchtbarkeit und des Friedens. (Das Wort Jul kommt aus Schweden und bedeutet „Rad“ – was für den Kreislauf der Sonne oder des Jahres steht.)   

Es war üblich, dass während der Julnächte nicht gearbeitet wurde und alle Räder still standen. Man nutzte die Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen, nämlich die Familie und Freunde und die eigenen Ziele im Leben.  Es wurden Kerzen angezündet und jeden Tag geräuchert. 

Man sollte auch möglichst nicht nach draussen gehen, denn da war die „Wilde Jagd“ unterwegs. Odin (oder Wodan) der Göttervater, Windgott und Herr der Geister ritt mit seinem Gefolge von übernatürlichen Jägern über den Wind und den Himmel. Darüber, was passierte, wenn man die Wilde Jagd zu Gesicht bekam, gibt es verschiedene Überlieferungen, meist war es aber ein schlechtes Omen und sagte ein Unglück im kommenden Jahr voraus. Wer sie gar verspottete, wurde mitgenommen und war dem Tode geweiht. Warf man sich aber ehrfürchtig auf die Knie, so konnte es sein, dass man den Knochen eines Schattenrosses zugeworfen bekam. Den musste man gut aufbewahren und wenn man Glück hatte, verwandelte er sich in Gold. 

Um die Menschen nicht unnötig zu gefährden sollen Vorreiter der Wilden Jagd vorausgeritten sein und laut gerufen haben: „Ho, ho, ho, die „Wilde Jagd“ ist unterwegs! Alle aus dem Weg, damit niemandem etwas passiert! Ho, ho, ho!“

Um die Wilde Jagd zu besänftigen stellten die Menschen damals Stiefel gefüllt mit Stroh für die Pferde und Bier, Honigwein und Essen für die Reiter vor die Tür. Wenn es den Sturmreitern gefiel, so legten sie ein kleines Dankeschön in die Stiefel.

Angeblich lebt Odin während dem Rest des Jahres übrigens im sagenumwobenen Untersberg und Berchtesgaden soll der Ursprung der Perchten sein. – Ihr seht also: der Tennengau und seine umliegenden Gebiete sind im Prinzip das Zentrum der Welt :-)

Die Rauhnächte

Jede einzelne der Rauhnächte war einem bestimmten Thema gewidmet und dauerte jeweils von 0:00 bis 24:00 Uhr:

 

21. Dezember – Nacht der Mutter

Die erste Nacht war der Göttin Frigga gewidmet. Sie ist die Gemahlin des Göttervaters Odin und die Schutzgöttin der Ehe, des Lebens, der Mutterschaft, der Weisheit, der Liebe, der Fruchtbarkeit, des Friedens, der Ruhe und der Familie. Heute kennen wir sie als die Frau Holle.

An diesem Tag kam man zusammen und dachte über das vergangene Jahr nach, eine Rückbesinnung auf das Alte: Was war gut und was weniger, was wollte man loslassen und nicht ins neue Jahr mitnehmen?

22. Dezember – Die Nacht des Máni (Mond) und der Dunkelheit

Máni, der Mond, fährt Nachts im Streitwagen über den Himmel und unterstützt die Jäger mit seinem Schein bei der Jagd, damit ihre Familien nicht hungern müssen.

Er kämpft gegen die Dunkelheit und den Tod. Um diesen Kampf zu unterstützen, opferten ihm die Menschen einen Julbock (einen mit Runen verzierten Holzscheit). Ausserdem wurde in dieser Nacht im Kreise der Familie und Freunde ein Fest gefeiert um den Funken der Freundschaft neu zu entzünden. Es wurde ein Lagerfeuer entfacht und die Julböcke darin verbrannt. Wer sich traute, sprang über das Feuer – das brachte Glück für‘s nächste Jahr. Man feierte für gewöhnlich bis in die Morgenstunden – bis Máni nicht mehr zu sehen war.

Ausserdem war dies die Nacht der guten Vorsätze – man steckte sich Ziele, die man über das folgende Jahr erreichen wollte.

23. Dezember – Die Nacht des Freyr und des Njord

In dieser Nacht wurden von jedem beim Festmahl 3 Krüge geleert. Einer für Odin den Göttervater, einer für Njord (Gott der Fischerei) und einer für Freyr (Gott der Fruchtbarkeit und Landwirtschaft)- für Frieden, Fruchtbarkeit und volle Vorratskammern im kommenden Jahr.

24. Dezember – Die Nacht der Gemeinschaft und Gastfreundschaft

An diesem Abend fand ein besonders großes gemeinsames Fest statt. Jeder war willkommen auch wenn er fremd war – es könnte ja der verkleidete Göttervater sein. Man besann sich darauf, wie wichtig es ist, mit Freunden und Familie zu feiern – um das Band zwischen den Menschen zu stärken. 

25. Dezember – Die Nacht der Eir und der Heilung

Eir ist die Göttin der Heilung und Heilkunde. An diesem Tag wurde eine Kraftbrühe gegessen, die der Göttin Eir geweiht war. Man gedachte seiner Gesundheit und dankten Eir für ihren Beistand im vergangenen Jahr und bat um Unterstützung im neuen. Auch der gestigen Gesundheit gedachte man, ebenso wie der Disziplin und des klugen Handelns – sodass man sich und andere nicht durch unbedachtes Handeln gefährdete.

26. Dezember – Die Nacht des Thor und der Kinder

Thor ist der Sohn Odins, der Gott des Donners und der Schutzgott der Kinder. Viele Frauen trugen damals sein Symbol, den Hammer, als Schmuckstück um den Hals.

An diesem Abend gedachte man der Kinder – denn sie sind die Zukunft jeder Gesellschaft. 

Man fertigte 2 Ziegenböcke aus Stroh und stellte sie vor die Tür als Zeichen, dass Thor hier willkommen ist und er dieses Haus schützt. Der Ziegenbock aus Stroh war das Symbol für die jährlich wiederkehrende Fruchtbarkeit der Erde.

Aus den Ziegenböcken wurde im Laufe der Zeit der „Julebukk“ oder Julvater – ein alter Mann mit einer hölzernen Ziegenmaske. Er klopfte an die Tür und bat um Einlass. Nahm man ihn gastfreundlich auf, so beschenkte er die Kinder – tat man das nicht so drohte Unheil oder gar Kindesraub.

27. Dezember – Die Nacht von Skadi und Ullr

Skadi und ihr Mann Ullr sind die Götter der Jagd, des Winters und der Berge. Gemeinsam fahren Sie auf Skiern durch den Winter und beschützen die Jäger und Reisenden, die in den Bergen unterwegs sind. (Also zwei ganz wichtige für den Toursimus bei uns).  An diesem Tag aßen die Menschen Wildfleisch zu Ehren von Skadi und Ullr. 

Auch den Brauch des Weihnachtsbaumes soll es damals schon gegeben haben. Die Bäume wurden aber nicht gefällt und ins Haus getragen, sondern man suchte sich einen am Waldrand aus und behängte ihn anstatt mit Christbaumkugeln mit Fleischbrocken – für Odins Raben Hugin und Munin (Gedanke und Erinnerung). Damit der Göttervater sah, wie gastfreundlich die Menschen waren.

28. Dezember – Die Nacht Odins und der Väter

Odin ist einer der Erschaffer der 9 Welten. Seine beiden Raben flogen jeden Tag aus und beobachteten, was in den Welten los war. So wusste Odin immer über alles Bescheid und konnte die Menschen vor Unheil beschützen.

An diesem Tag/Abend erinnerte man sich Odins Schutz und der Werte von Ehre und Ehrlichkeit.

Man ehrte seine Väter und Vorväter – die Ahnen.29. Dezember – Die Nacht der Sunna und des Lichts

In der Julnacht des Lichts gedachten die Menschen der Göttin Sunna – der Sonne. Man spürte schon, wie die Sonne wieder jeden Tag stärker wurde und aß an diesem Tag ihr zu Ehren nur Speisen und Getränke in den Farben der Sonne.

30. Dezember – Die Nacht der Krieger und Valkyren

An diesem Tag gedachte man der Verstorbenen und des Todes. Dankbar besann man sich des eigenen Lebens und seiner Möglichkeiten. Man stieß auf verstorbene Verwandte und Bekannte an und bereitete  ein Festmahl vor – aber nicht für sich, sondern für die Toten, die in dieser Nacht unterwegs waren. Die Menschen feierten ausserhalb in der Gemeinde und schliefen anschließend in ihren Scheunen um den Toten für die große Party ihre Häuser zu überlassen.

31. Dezember – die Schwurnacht

In der finalen Julnacht wurde alle Speisen der letzten 11 Tage aufgegessen, damit man ohne „Altlasten“ ins neue Jahr starten konnte. Man orakelte und leistete Schwüre und gute Vorsätze. Auch Vorhaben, die das gesamte Dorf betrafen, wurden an diesem Abend beschlossen. Ausserdem gab es eine Mahnwache bis zum Morgengrauen damit man sicher verkünden konnte, dass das Dorf von der Wilden Jagd verschont geblieben war. 

Mit dem Ausruf „Wassail“ wünschten sich die Menschen Gesundheit für das neue Jahr. (Heute kennt man Wassail noch als ein Gewürz-Cider-Getränk, das hauptsächlich in England getrunken wird.)

Meine Informationen habe ich von verschiedenen Internet-Seiten, hauptsächlich vom Youtube-Kanal „Der Mächtige Bär“.