Interview: „Ich verteile immer Lob und keine Tadel“
Ich hatte ja ein wenig Bammel vor diesem Interview. Ich hoffe nämlich, du holst jetzt nicht dein “Goldenes Buch“ heraus, hältst mir meine kleinen Sünden vor und schickst mir den Krampus?
Barbara Schweitl (lacht): „Nein, heute nicht. Erst am 6. Dezember wieder. Ich bin weiterhin aktiv in der Pfarre tätig und spiele beim Kirchenwirt regelmäßig den Nikolaus für die Pucher Pensionisten. Das freut die Leute immer voll. Ich glaube aber, dass einige noch immer nicht wissen, dass ich dieser Nikolaus bin. Mit dem Bart erkennt man mich nicht so gut. Vor dem ‘Goldenen Buch‘ haben aber tatsächlich sehr viele Erwachsene Respekt. Normalerweise verteile ich aber immer Lob und keine Tadel.“
Lass uns gleich einmal eine wichtige Sache klären: Willst du Frau Bürgermeisterin oder Frau Bürgermeister genannt werden oder ganz anders?
Barbara Schweitl: „Ganz klar Frau Bürgermeisterin, etwas anderes kommt für mich nicht in Frage. Das habe ich an der Tür zu meinem Büro auch schnell geändert: Da stand nämlich ‘Bürgermeister‘ drauf als ich ins Gemeindeamt eingezogen bin. Aber die meisten dürfen mich trotzdem Barbara nennen.“
Wie wichtig findest du generell das Gendern. Sagst bzw. schreibst du nur Bürger oder Bürgerinnen und Bürger oder Bürger:innen. Wie handhabst du das?
Barbara Schweitl: „Letztens war ich ganz perplex, weil ein Frauenarzt im Fernsehen gesagt hat: ‘Meine Patienten …‘ Das ist doch komisch, oder, wo er doch mit ziemlicher Sicherheit nur Patientinnen hat? Ich lasse die Ausrede von Frauen nicht gelten, die sagen: ‘Ich bin eh so stark, mir ist das egal, ich fühle mich auch als Bürger angesprochen…‘ Ich finde es ganz wesentlich, dass man auch die Frauen anspricht. Es ist nicht egal!“
Du bist aktuell neben deinem Amt als Bürgermeisterin auch noch als Bilanzbuchhalterin tätig. Wie schaffst du das?
Barbara Schweitl: „Tatsächlich ist das schwierig und daher werde ich künftig nur noch Bürgermeisterin sein. Zuvor möchte ich aber meinen Job als Bilanzbuchhalterin noch ordentlich abschließen und gut übergeben, das ist mir sehr wichtig.“
Vor dir sind im Bürgermeisterbüro immer nur Männer gesessen. Hast du das Büro inzwischen ein wenig fraulicher gestaltet?
Barbara Schweitl: „Ich habe das definitiv noch vor, aber ich hatte echt noch keine Zeit dafür. Ich habe mir allerdings sofort einen höhenverstellbaren Schreibtisch und zwei Bildschirme besorgt, damit ich ordentlich arbeiten kann. Die vielen Ablagen habe ich weggegeben, das Büro soll möglichst papierfrei werden. Das Plastikblumen-Gesteck habe ich entfernt und durch einen echten, blühenden Blumenstock ersetzt, eine Taubnessel: Diese Pflanze hat meine Oma sehr geliebt. Sie war auch eine starke Frau und hat meistens das erreicht, was sie sich in den Kopf gesetzt hat.“
Apropos starke Frau. Siehst du dich selbst als Powerfrau?
Barbara Schweitl: „Ja, ich bin eine Powerfrau! Ich organisiere gerne Dinge, gehe gern in Verantwortung und ich freue mich, wenn ich Dinge zum besseren verändern kann. Ich arbeite auch noch ehrenamtlich nebenbei. Aber ich selbst entscheide ganz klar, wo das Ehrenamt ist und wo ich arbeite und dafür auch bezahlt bekomme. Schon meine Mutter hat immer gesagt: ‘Klare Rechnung, gute Freunde!‘ Aber auch als Powerfrau kann ich Verantwortung abgeben und meinem Team vertrauen.“
Eine klare Rechnung ist dir also wichtig. Es heißt ja immer wieder, dass Frauen im Job zu wenig bezahlt bekommen. Wie könnte man das ändern?
Barbara Schweitl: „Am besten, wenn mehr Frauen in die Politik gehen würden. Es ist wichtig, dass der Anteil an Frauen in der Politik steigt: Wir haben doch einen anderen Zugang bei vielen Dingen, eine andere Sichtweise, die in der Politik manchmal fehlt.“
Welchen Rat kannst du Frauen geben, die politische Ämter anstreben?
Barbara Schweitl: „Es ist schon wichtig, dass man diese Sache mit dem Partner bespricht. Das sollten natürlich aber auch Männer machen, die politische Ämter anstreben. Das ist schon eine totale Lebensänderung, wenn man in die Politik geht! Ich bin aktuell täglich von 08:00 bis circa 22:00 Uhr im Amt und oft ist auch das Wochenende beruflich verplant. Ich habe vier Kinder, aber die sind schon erwachsen und haben selbst Kinder. Neun Enkerl habe ich! Natürlich bin ich als Oma da auch ab und zu eingeteilt und das mache ich gerne. Aber viel Zeit bleibt aktuell nicht fürs Familienleben. Als meine jüngste Tochter vier Jahre alt war, habe ich wieder zu arbeiten begonnen. Und das war nicht einfach! Daher weiß ich, wie wichtig eine gute Kinderbetreuung für Familien ist. Dieser Spagat zwischen Beruf und Familie ist echt schwierig! Ich bin dankbar, dass mein Mann viel Verständnis für mich hat und mir den Rücken frei hält. Ich möchte ein Familienleben haben, da ist es auch wichtig, für Ausgleich zu sorgen und nicht rund um die Uhr nur zu arbeiten.“
Worin besteht dein Ausgleich?
Barbara Schweitl: „Ich bin aktives Mitglied beim Ruderclub an der Salzach. Zu Beginn meiner Amtszeit als Bürgermeisterin konnte ich das Rudern nur noch schwer in meinen Alltag einplanen, aber ich habe gemerkt: Ich brauche das! Also gehe ich jetzt wieder häufiger rudern. Ich liebe es, in Bewegung zu sein, die Natur zu genießen und dafür zu sorgen, dass mein Körper Kraft hat. Ich war kürzlich auch Canyoning in der Strubklamm. Das war so cool! Es war voll die Herausforderung und anstrengend, aber das hat mir gut getan: dieser eine Tag volle Konzentration auf mich selbst und dabei körperlich ans Äußerste zu gehen.“
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